Die Gesundheit und das Wohlergehen von Fischen sind beide wichtig, aber nicht dasselbe. Die Gesundheit konzentriert sich auf die physiologische Funktion, d.h. ein gut funktionierender Körper ist gleichbedeutend mit guter Gesundheit. Das Wohlergehen geht darüber hinaus und umfasst auch Aspekte wie Schmerz, Angst und Wahrnehmung. Daher ist es komplizierter Wohlbefinden zu definieren, zu messen und zu gewährleisten. In der Aquakultur sind gesunde Fische im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftlichen Gewinn und ethische Verantwortung besser. Gesunde Fische haben eine geringere Sterblichkeit, eine bessere Futterverwertung und sind robuster. Dies führt zu geringeren Verlusten und besserem Wachstum und macht die Zucht von gesunden Fischen nachhaltiger und rentabler. Zudem liegt es in unserer Verantwortung, für die bestmögliche Gesundheit und Wohlergehen der Fische in unseren Betrieben zu sorgen.
Die Wissenschaft hat begonnen den Zustand des “Wohlbefindens” von Fischen zu erforschen und ein kompliziertes und vieldimensionales Netzwerk von Ursachen und Zusammenhängen aufgedeckt. Mit einem besseren Verständnis der Voraussetzungen für das Wohlergehen (d. h. Parameter wie Wassertemperatur oder Sauerstoffsättigung) und der entsprechenden Anzeichen (d. h. Indikatoren wie Flossenzustand oder Fressverhalten) können wir uns bemühen das Wohlergehen objektiv zu messen und zu bewerten. Da das Wohlergehen von Tieren ein komplexes Thema ist, sind ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Definition des Begriffs von zentraler Bedeutung.
Fische, die in Aquakultur für die Lebensmittelproduktion gezüchtet werden, sind durch das Schweizer Gesetz geschützt, welches ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen zu einer Verpflichtung macht. Das schweizerische Bundesgesetz über den Tierschutz (EN: Animal welfare act, DE: Tierschutzgesetz, FR: Loi fédérale sur la protection des animaux) gilt für alle Wirbeltiere, einschließlich Fische und definiert gutes Tierwohl als gegeben (TSchG Art.3), wenn:
Zudem gelten gemäss der eidgenössischen Tierschutzverordnung (EN: Animal welfare ordinance, DE: Tierschutzverordnung, FR: Ordonnance sur la protection des animaux) Fische, die in Aquakulturen gezüchtet werden, als Wildtiere, d.h. sie gelten nicht als domestiziert. Landwirte, die Fische oder Krebse, d.h. Krustentiere der Unterordnung Pleocyemata, zu gewerblichen Zwecken erzeugen (einschließlich der Personen, die diese Fische und Krebse transportieren), sind verpflichtet, eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren (DE: Fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung, FR: Formation spécifique indépendante d’une formation professionnelle). Für Landwirte, die in der Reproduktion tätig sind, ist eine weitere Ausbildung erforderlich, z.B. Berufsfischer oder Fischereiaufseher.
In der Verordnung wird weiter spezifiziert:
Fische haben Bedürfnisse, die erfüllt werden müssen, damit das Tier gesund ist und sich wohl fühlt. Diese Bedürfnisse können in 14 Grundbedürfnisse unterteilt werden (Bedürfnisse des Fischschutzes, angepasst von Stien et al. 2013, Tschirren et al. 2021):
Bedürfnisse
Atmung
Osmotische Regulierung
Thermische Regulierung
Wasserqualität
Hygiene
Gesundheit
Körperpflege
Ernährung
Sicherheit
Bewegung
Sozialer Kontakt
Ruhe
Erkundung
Reproduktionsverhalten
Ein Fisch muss…
den Gasaustausch über die Kiemen durchzuführen
die Homöostase der Zellflüssigkeiten aufrechterhalten
die Körpertemperatur für einen erfolgreichen Stoffwechsel aufrechterhalten
verschont bleiben von abiotischen schädlichen Einflüssen (Toxine, Partikel, Gase usw.)
verschont bleiben von biotischen schädlichen Einflüssen (Parasiten, Bakterien, Viren)
verschont bleiben von Krankheiten, Fehlfunktionen oder Missbildungen
Körperpflege betreiben
Nahrung in richtiger Qualität und Quantität zu sich zu nehmen
wahrgenommene Gefahren und körperliche Verletzungen zu vermeiden
sich frei zu bewegen
Kontakt zu Artgenossen zu haben
ruhen
äußere Reize zu suchen und zu finden
im geschlechtsreifen Zustand Fortpflanzungsverhalten zu zeigen
Weder die Natur noch die Haltung gewähren einem Tier ständig alle Bedürfnisse, und Organismen haben sich daran angepasst mit einer gewissen Anzahl von unerfüllten Bedürfnissen und Stress fertig zu werden. Für ein gutes Wohlergehen darf diese Anpassungsfähigkeit und Stressresistenz nicht überstrapaziert werden.
Die optimalen Bereiche für diese Bedürfnisse hängen von der Art und dem Lebensstadium eines Fisches ab, je nachdem an welche natürliche Umgebung sich die Art im Laufe der Zeit angepasst hat. Dazu gehören fast alle Bedürfnisse, von Wärmeregulierung (Kaltwasser- vs. Warmwasserarten) über soziale Kontakte (Schwarmfische vs. Einzelgänger) bis hin zur Ernährung (Heranwachsende vs. Zuchtfische). Für Fischwirte ist es daher wichtig, die art- und altersspezifischen Bedürfnisse der Fische in ihrer Haltung zu verstehen.
Fische zeigen sowohl Anzeichen für gute als auch für schlechte Gesundheit und Wohlbefinden. Es ist Aufgabe des Fischwirts, des Tierarztes und des Biologen, diese Anzeichen zu erkennen und in der Lage zu sein die Ursachen für eine Beeinträchtigung der Gesundheit oder des Wohlbefindens zu erkennen und zu beseitigen. Die beiden Hauptgruppen von Anzeichen sind physiologische und verhaltensbezogene Indikatoren.
Zu den physiologischen Indikatoren gehören die äußere Morphologie (z. B. Hautverletzungen, Flossenzustand, Kieferverformung), die innere Anatomie (z. B. Leberzustand, Darmentzündung, Impfschäden) und die innere Physiologie (z. B. Cortisolspiegel, entzündliche Zytokine, Hämatokrit). Im Allgemeinen werden Indikatoren, die vor Ort gemessen werden können, als OWI (operational welfare indicators) bezeichnet, während diejenigen, die im Labor gemessen werden, als LabWI (laboratory-based welfare indicators) bezeichnet werden.
Verhaltensindikatoren sind Verhaltensmuster bei einzelnen Fischen oder Fischgruppen, die mit gutem oder schlechtem Wohlergehen korreliert sind. In der Fischzucht sind Indikatoren für eine gute Gesundheit und ein gutes Wohlergehen der Fische z.B. normale Fütterung (eifriges Fressen), regelmäßiges Schwimmen (ruhiges Schwimmen, im Einklang mit der Wasserströmung, entspannte Flossenstellung, gleichmäßige Raumnutzung), regelmäßige Atmung (sanfte und regelmäßige Bewegungen des Kiemendeckels) und wenig Aggression. Indikatoren für aktuelle oder bevorstehende Probleme der Gesundheit und des Wohlergehens können u. a. Kratzen, Springen, aggressives Fressen, Desorientierung oder erhöhte Atemfrequenz sein.
Besonders wichtig sind plötzliche Veränderungen der physiologischen und verhaltensbezogenen Indikatoren in einem ganzen Betrieb oder einzelnen Becken. Für den Züchter ist es daher von entscheidender Bedeutung, den Gesundheitszustand und das Wohlergehen der Fische ständig im Auge zu behalten.
Ausbildung, Bewertung und Dokumentation sind die drei wichtigsten Faktoren für das Gesundheits- und Tierschutzmanagement in der Aquakultur.
Das gesamte Personal im Betrieb muss über ein angemessenes Verständnis für die Gesundheit und das Wohlergehen der Fische verfügen und sich an gemeinsame Standards halten, die in allen täglichen Abläufen befolgt werden. Die Schweizer Gesetzgebung definiert die Notwendigkeit der Ausbildung:
Ein Standard für die Messung der Gesundheit und des Wohlergehens von Fischen ist nötig. Es wurden verschiedene Methoden entwickelt, um das Wohlergehen von Fischen zu definieren, zu messen und zu bewerten:
Alle diese verschiedenen Methoden kombinieren Voraussetzungen für Wohlergehen und Indikatoren von Wohlergehen, die in den Betrieben gemessen werden können. Es wird empfohlen, eine routinemäßige Bewertung des Wohlbefindens durchzuführen. Ziel ist es, die Gesundheit und das Wohlergehen der Tiere sowohl bei der normalen Haltung als auch bei Prozessen der Produktion (Sortierung, Transport, Schlachtung) sicherzustellen.
Wenn Labortests oder Diagnosen erforderlich sind (Parasitologie, Bakteriologie, Mykologie, Serologie, Virologie), wenden Sie sich an Ihren Betriebstierarzt und/oder das nationale Diagnostikstelle für Fische und Krebse aus Freiland, Zucht und Aquaristik. Bitte informieren Sie sich gründlich über den Versand von toten oder lebenden Fischen sowie von Proben und stellen Sie sicher, dass das Labor über den eingehenden Versand informiert ist:
Kontaktangaben:
Fischdiagnostik
Vetsuisse Fakultät Bern
Länggassstrasse 122
Postfach
CH-3001 Bern
031 631 24 65
nafus@vetsuisse.unibe.ch
www.vetsuisse.unibe.ch
Formulare:
Die Dokumentation der Gesundheit und des Wohlergehens der Tiere in den Betrieben ist von entscheidender Bedeutung. Sie ermöglicht es dem Fischwirt:
Angesichts der heutigen Möglichkeiten ist es vorteilhaft, die Beurteilungen digital zu speichern. Excel-Dateien (Publikation) können für jeden Betrieb angepasst werden, oder es können Android-Apps verwendet werden.
Das Gesundheitsmanagement muss ein integrativer Bestandteil jeder Fischfarm sein. Bei der Optimierung der Gesundheit und des Wohlbefindens der Fische spielen verschiedene Aspekte eine Rolle, die sich in die Bereiche Prävention, Überwachung und Behandlung einteilen lassen:
Ziel der Vorbeugung ist es, robuste Fische zu haben (durch gute Haltungsbedingungen) und Krankheitserreger zu vermeiden (indem ihr Eindringen in den Betrieb verhindert wird). Die wichtigsten Aspekte sind:
Sobald ein potenzielles Problem erkannt oder vermutet wird, ist eine schnelle und wirksame Behandlung/Messung von entscheidender Bedeutung. Die wichtigsten Aspekte sind:
Angemessene Gesundheits- und Tierschutzprotokolle sind besonders wichtig vor, während und nach den relevanten Produktionsprozessen, wie z.B. dem Einfangen, Sortieren, Transportieren oder Schlachten.
Das Sortieren ist ein regelmäßiges Verfahren, um eine homogene Gruppengröße zu gewährleisten (zur Verringerung von Aggressionen), und das Einfangen ist Teil der verschiedener Abläufe (Sortieren, Transport, Schlachtung). Um eine minimale Sterblichkeit/Schädigung/Stress zu gewährleisten, ist die Einhaltung des Protokolls in allen drei Phasen (vor, während und nach) von entscheidender Bedeutung:
Vor dem Einfangen/Sortieren:
Während dem Einfangen:
Während dem Sortieren:
Nach dem Einsammeln/Sortieren:
Der Transport von Fischen erfolgt in verschiedenen Lebensstadien, meist als Eier, Jungfische oder Fingerlinge. Um eine minimale Sterblichkeit/Schädigung/Stress zu gewährleisten, ist die Einhaltung des Protokolls in allen drei Phasen (vor, während und nach dem Transport) entscheidend:
Vorher:
Während:
Danach:
Der Transport von Flusskrebsen erfolgt in der Regel als ausgewachsene Tiere in Marktgröße zur kulinarischen Verwertung. Lebende Krebse, die in der Schweiz gehandelt werden, stammen hauptsächlich aus Wildfang. Zwei Transportarten sind erlaubt: Transport im Wasser und Transport ohne Wasser. Um eine minimale Sterblichkeit/Schädigung/Stress zu gewährleisten, ist die Einhaltung des Protokolls (vor, während und nach dem Transport) entscheidend:
Vorher:
Während:
Nach:
Zusätzliche Informationen zur Haltung von Panzerkrebsen: Fachinformation Tierschutz Nr. 4.4 – Hälterung von Panzerkrebsen
Das Schlachten ist Teil der Aquakultur und ein wichtiger Aspekt des Tierwohls. Das Töten von Fischen und Krebsen ist in der Schweiz gesetzlich streng geregelt. Da Krebse nicht über ein zentrales Nervensystem verfügen, unterscheiden sich die Tötungsmethoden von denen der Fische. Um eine minimale Belastung zu gewährleisten, ist die Einhaltung des Protokolls in beiden Phasen (vorher und während) entscheidend:
Vorher:
Während:
Schutz der Fische und Krebse, gemäss Schweizer Tierschutzgesetz:
Lebensmittelsicherheit:
Die Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil der Gesundheit und des Wohlergehens der Fische. Dies beinhaltet Aspekte wie:
Ihr örtlicher Händler für Fischfutter wird Ihnen bei der Wahl der richtigen Futtermarke behilflich sein. Wenn Sie unsicher sind, wenden Sie sich an Ihren Betriebstierarzt, um die Eignung des Futters zu überprüfen.